Johann Scheffler                    Überschrift der Verdammnüs

auch:

Angelus Silesius                              Hier ist ein ew’ge Nacht: man weiß von keinem Lachen

1624 – 1677                                        Ein Jammer, Ach und Weh, ach ewig sein verlorn!

Wird immer fort geschrien, und wärn wir nie geborn!

Beineben hört man nichts als Donnern, Hageln, Krachen.

 

Man sieht den Basilisk mit Kröten, Schlangen, Drachen

Und tausend Ungeheuer: Man ist für Kält erfrorn,

Und schmelzt für großer Glut: man schillt sich Narrn und Torn

Und kommt doch nimmermehr aus diesem Teufelsrachen.

 

Man stirbt und stirbt doch nie, man liegt im ew’gen Tod

Man wütet, tobt und zörnt, man flucht und lästert Gott.

Man beißt und hadert sich, man lebt wie Hund’ und Katzen,

 

Man muß sich ewiglich mit allen Teufeln kratzen.

Man frisset Hüttenrauch, Pech, Schwefel, Teufelsmist.

Ach Sünder, tu doch buß, eh du darinnen bist!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johann Scheffler                    Der Gerechtfertigte Sünder

auch:

Angelus Silesius                              Ich war deß Teufels Sclav, und gieng in seinen Banden:

1624 – 1677                                        Ich war mit Sünden-Wust verstellt und bluttig roth:

In Wollust weltzt’ ich mich wie eine Sau im Koth:

Ich stank für Eitelkeit die häuffig war vorhanden:

 

Ich war dem Abgrund nah, und fieng schon anzustranden:

Ich lebte wie ein Vieh, und fragte nicht nach Gott,

Ich war ein SchattenMensch, und noch lebendig Todt.

Nu bin ich widerumb in Christo auferstanden,

 

Und lebendig gemacht: die Ketten sind entzwey,

Der Teufel ist verjagt, und ich bin loß und frey.

Ich suche Gott allein mit eifrigem Gemütte,

 

Und gebe mich Jhm auf. Was Er mir jmmer thut

In Zeit und Ewigkeit, daß sprech’ ich alles gut.

Ach daß Er mich doch nur für mehrerm fall behütte!

 

 

 

 

 

 

Johann Scheffler                   

auch:

Angelus Silesius                      Fragst du, wie Gott, das Wort, in einer Seele wohne?

1624 – 1677                                        So wisse: wie das Licht der Sonne in der Welt,

                                                               Und wie ein Bräutigam sich in seiner Kammer hält,

Und wie ein König sitzt in seinem Reich und Throne,

 

Ein Lehrer in der Schul, ein Vater bei den Sohne,

Und wie ein teurer Schatz in einem Ackerfeld,

Und wie ein lieber Gast in einem schönen Zelt,

Und wie ein Kleinod ist in einer güldnen Krone.

 

Wie eine Lilie in einem Blumental,

Und wie ein Saitenspiel bei einem Abendmahl,

Und wie ein Zimmetöl in einer Lamp entzunden,

 

Und wie das Himmelsbrot in einem reinen Schrein,

Und wie ein Gartenbrunn, und wie ein kühler wein.

Sag, ob er anderswo so schöne wird gefunden?

 

 

 

 

 

Johann Scheffler

auch:

Angelus Silesius                      Uberschrift der Seeligkeit

1624 – 1677                                       

Hier ist es immer Tag, hier scheint die Ewge Sonne,

Hier weiss man nichts von Weh, von Kummer Angst und Leid:

Man lebt in gantzer Lust und gantzer Seeligkeit.

Man siht und höret nichts als lauter Frewd und Wonne.

 

Man trinkt sich satt und Voll beym süssen Jesus-Bronne.

Man sitzt in stoltzer Ruh, man dänkt an keine Zeit,

Man leget niemals ab das Kleid der Herrlichkeit.

Hier rauschet wie ein Strom was vor nur tropfweis ronne.

 

Hier schaut man Gottesglantz und süsses Angesicht,

Hier wird man überformt mit seiner Gottheit Licht.

Hier senkt man sich in Ihn, und giebt jhm tausend küsse.

 

Man liebt und wird geliebt, man schmekt jhn wie er ist.

Man singt sein Lob und alls worzu man ist erkiest.

Ach Jesu hilff mir doch damit auch ichs geniesse.